Volvo-Chefin glaubt an elektrische Zukunft

Melisa Seleskovic

Melisa Seleskovic ist seit 1. Februar 2023 Geschäftsführerin von Volvo Car Austria und somit verantwortlich für den österreichischen Markt und die strategische Ausrichtung des schwedischen Autoherstellers. Mit autoinfos.at sprach die Managerin über Ziele, den heimischen Markt sowie die geänderten Ansprüche, die speziell jüngere Menschen an ein Auto heutzutage haben.

Volvo verfolgt das Ziel, den Marktanteil in Österreich auf über zwei Prozent zu steigern. Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie, um dieses Ziel in einem stark umkämpften Markt zu erreichen und wie gut läuft es diesbezüglich bei Volvo Österreich?
MELISA SELESKOVIC: Der Neuwagenmarkt wächst, obwohl frühere Prognosen etwas anderes erwarten ließen. Das zeigt, dass der österreichische Markt derzeit sehr wettbewerbsintensiv ist – mit neuen Marktteilnehmern und neuen Angeboten. Volvo plant, das Jahr mit mehr verkauften Fahrzeugen als 2024 abzuschließen. Wir sind eine wachsende Marke und ein wachsendes Unternehmen und befinden uns auf einem guten Weg, unsere Ziele zu erreichen. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass wir bereits einen Marktanteil von zwei Prozent erreichen werden, angesichts des rasanten Marktwachstums – das hauptsächlich durch den Zuwachs der Volumenmarken getrieben wird.

Mit dem EX30, EX90 und weiteren vollelektrischen Modellen positioniert sich Volvo zunehmend als Elektromarke. Wie beurteilen Sie die Akzeptanz von E-Fahrzeugen in Österreich – und welche Rolle spielt dabei die Preisgestaltung?
SELESKOVIC: Volvo Cars wird im Jahr 2026 ein vollständiges Portfolio an Elektrofahrzeugen in allen Segmenten haben: SUV wie EX30, EX40, der ab Jänner bestellbare EX60 sowie EX90. Und mit dem Volvo ES90 haben wir auch eine Premiumlimousine im Programm. Alle Fahrzeugkategorien sind gut geplant und auf die Bedürfnisse der Fahrer der Zukunft ausgerichtet. Wir glauben an eine hundertprozentige elektrische Zukunft. Dafür müssen aber noch einige Hürden überwunden werden.

Welche Hürden?
SELESKOVIC: Die Ladeinfrastruktur muss ausgebaut werden. Beispielsweise charging at home im urbanen Bereich sowie öffentliche Ladestationen am Land. Das müssen die Lade-Abrechnungen transparenter gestaltet werden – in Hinblick auf ein einheitliches Zahlungssystem und Preise. Es braucht E-Mobilitätsförderungen um erhöhte Anschaffungskosten abzumildern. Übrigens: Das Angebot an BEV (Battery Electric Vehicle, Anm.) reicht von Volumens- bis hin zu Premiummarken, und die Fahrer werden selbst entscheiden, was sie fahren möchten. Wir sehen bereits viele sehr attraktive Preisangebote im BEV-Segment auf dem Markt – nicht nur über chinesische Marken – auch die europäischen Hersteller machen ihre Hausaufgaben, um die Kosten zu optimieren.

„Sicherheit liegt in unserer DNA“

Volvo steht für Sicherheit, Design und zunehmend auch Nachhaltigkeit. Wie wollen Sie diese Markenwerte stärker öffentlich verankern?
SELESKOVIC: Volvo wurde schon immer für Sicherheit und skandinavisches Design geschätzt, und heute kommt Nachhaltigkeit als zentraler Bestandteil unserer Markenidentität hinzu. Unser Ziel ist es, diese Werte für unsere Kundinnen und Kunden noch sichtbarer und erlebbarer zu machen. Wir kommunizieren sie konsequent über unsere Produkte, unser Händlernetz und unsere Marketingaktivitäten. Wir investieren in innovative Sicherheitsfunktionen und entwickeln den von uns erfundenen Dreipunkt-Sicherheitsgurt kontinuierlich weiter. Beispielsweise in Form des multi-adaptiven Sicherheitsgurtes, der mit dem neuen EX60 erstmals zum Einsatz kommen wird. Sicherheit bleibt das Fundament unserer Marke – sie liegt in unserer DNA. Das Design spiegelt unser skandinavisches Erbe wider: minimalistisch, menschzentriert und funktional. Nachhaltigkeit verbindet alle Bereiche unseres Handelns – von der Verwendung recycelter und erneuerbarer Materialien über CO₂-neutrale Produktion bis hin zur vollständigen Elektrifizierung unseres Fahrzeugportfolios. Durch authentisches Storytelling, Kundenerlebnisse und Partnerschaften, die unsere Werte widerspiegeln, wollen wir sicherstellen, dass jede Begegnung mit Volvo Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein und modernen skandinavischen Luxus vermittelt.

Die technische Transformation bei Volvo ist rasant – von Verbrennern über Hybride hin zu vollelektrischen Fahrzeugen. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei speziell für den österreichischen Markt?
SELESKOVIC: Der Übergang von Verbrennungsmotoren über Hybride hin zu vollelektrischen Fahrzeugen ist eine der größten Transformationen in der Geschichte von Volvo. Österreich steht dabei – wie viele andere europäische Märkte – vor einigen spezifischen Herausforderungen. Erstens bleibt die Ladeinfrastruktur ein zentraler Faktor. Obwohl bereits große Fortschritte erzielt wurden, muss die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Ladestationen – insbesondere in Städten und Mehrparteienhäusern – weiter verbessert werden, um der wachsenden Zahl an E-Fahrern gerecht zu werden. Zweitens spielen Erschwinglichkeit und Förderungen eine wichtige Rolle. Da staatliche Unterstützungsmaßnahmen und Subventionen sich verändern, wird es immer wichtiger, den Kundinnen und Kunden ein starkes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten. Drittens sind Aufklärung und Bewusstseinsbildung entscheidend. Kundinnen und Kunden müssen sich an neue Technologien gewöhnen – von Ladevorgängen bis hin zu digitalen Fahrzeugfunktionen. Deshalb arbeiten wir eng mit unserem Händlernetz zusammen, um sie bestmöglich in diesem Wandel zu begleiten. Trotz dieser Herausforderungen ist Österreich ein sehr vielversprechender Markt für die Elektrifizierung. Die Einstellung der österreichischen Kundinnen und Kunden ist fortschrittlich, und wir sehen ein wachsendes Vertrauen und große Begeisterung für die elektrische Zukunft von Volvo.

„Wir verkaufen ausschließlich über Händler“

Omni-Channel-Vertriebsmodelle sind in der Branche ein großes Thema. Wie geht Volvo damit um?
SELESKOVIC: Wir gehen einen anderen Weg als viele andere Mitbewerber und führen kein Omni-Channel-Vertriebsmodell ein. In Österreich verkaufen wir unsere Fahrzeuge ausschließlich über unser Händlernetz, und wir sind stolz darauf, wie stark sich unsere Händler für die Marke Volvo engagieren. Das Händlernetz in Österreich muss sich auf die Zukunft der Mobilität vorbereiten – und dabei einige zentrale Entwicklungen aktiv gestalten. Zunächst steht die Elektrifizierung ganz klar im Mittelpunkt. Unsere Händler passen ihre Infrastruktur Schritt für Schritt an die Anforderungen von Elektrofahrzeugen an – von Schulungen im Verkauf und Service bis hin zum Ausbau von Ladeeinrichtungen direkt vor Ort. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung den gesamten Kundenprozess. Heute beginnen viele Kundinnen und Kunden ihre Kaufentscheidung online und erwarten anschließend ein nahtloses Erlebnis im Schauraum. Deshalb unterstützen wir unsere Händler dabei, ihre digitalen Kompetenzen zu stärken und datenbasiert zu arbeiten. Trotz aller Digitalisierung bleibt das persönliche Kundenerlebnis entscheidend. Vertrauen, kompetente Beratung und ein hochwertiger Service machen den Unterschied – und das wird auch in Zukunft so bleiben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Nachhaltigkeit. Kundinnen und Kunden erwarten Verantwortung – nicht nur von der Marke, sondern auch von den Betrieben vor Ort. Viele unserer Partner setzen hier bereits sichtbare Maßnahmen um, etwa durch nachhaltige Betriebsführung oder umweltbewusste Projekte. Und schließlich gilt es, neue Geschäftsmodelle anzunehmen: Abo-Angebote, zertifizierte Gebrauchtwagen, Mobilitätslösungen oder softwarebasierte Services gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese neuen Chancen werden in den kommenden Jahren ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells unserer Händler sein.

Sie sprechen oft von einer „neuen Generation von Volvo-Kund:innen“. Wie definieren Sie diese Zielgruppe – und wie passen Produktstrategie und Kommunikation daraufhin an?
SELESKOVIC: Diese neue Generation ist vielfältiger, digitaler und wertebewusster als je zuvor. Diese Menschen interessieren sich gleichermaßen für Technologie, Design und Nachhaltigkeit. Sie sind neugierig, gut informiert und erwarten von einer Marke Transparenz, Verantwortungsbewusstsein und Relevanz für ihren Lebensstil. Für sie ist ein Auto nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern ein wichtiger Teil Alltagslebens. Deshalb konzentriert sich unsere Produktstrategie auf Einfachheit, Konnektivität und Elektrifizierung. Modelle wie der EX30 oder der EX90 sind dafür perfekte Beispiele – vollelektrisch, intuitiv zu bedienen und konsequent um den Menschen herum entwickelt. Die neuen Fahrzeuge, die wir auf Basis einer zentralen Computerarchitektur entwickeln, sind anders – das Fahrerlebnis ist anders. Aber auch die Bedürfnisse der Fahrerinnen und Fahrer haben sich im Vergleich zu vor 20 Jahren stark verändert. Heute zählen Ruhe, die vollständige Integration von Apple oder Google CarPlay und ein durchgängig vernetztes, intelligentes Bediensystem. Wenn man heute ein Auto startet, startet man im Grunde auch sein mobiles Büro: ein leistungsstarker Elektromotor alleine reicht nicht, das Fahrzeug muss auch jegliche Kommunikationsmöglichkeit, wie zum Beispiel einen Teams-Call, unterstützen, sich in den Tagesablauf der Fahrerinnen und Fahrer integrieren und einen klaren Plan liefern – wo sie laden, wie lange sie pausieren, wo sie eine Pause einlegen oder übernachten können und welche Orte in einer neuen Stadt besonders sehenswert sind. In meiner Kindheit konnten Autos all das noch nicht. Deshalb ist es nur natürlich, dass wir älteren Fahrerinnen und Fahrern neue Fähigkeiten beibringen müssen. Ich bin stolz darauf, dass Volvo in diesem Bereich zu den fortschrittlichsten Marken gehört.

Foto: Volvo Car Austria

ZUR PERSON: Melisa Seleskovic war, bevor sie Managing Director bei Volvo Österreich wurde, bereits seit fünf Jahren bei dem Autohersteller in verschiedenen Funktionen im Bereich Marketing und Consumer Experience tätig. Davor sammelte sie eine breite Basis an Erfahrungen in verschiedenen Branchen und Funktionen wie Vertrieb, Digitalisierung und Einzelhandel bei Marken wie Coca-Cola, Microsoft und Electrolux.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert